Abstract
In diesem Beitrag wird zunächst die epistemische Ausgangssituation von Laien und ExpertInnen im Rahmen der Debatte zur testimonialen Erkenntnisgewinnung genauer verortet. Als besonders wichtig erweist sich dabei die Klärung des Expertenbegriffs selbst. Nachfolgend wird die Differenzierung zwischen Vertrauen und bloßem Sich-Verlassen näher beleuchtet. Hierbei wird der Frage nachgegangen, ob eine konzeptuelle Neuausrichtung der Laien-Position im Kontext der Corona-Pandemie dazu beitragen kann, der zunehmend verfahren wirkenden Situation einer wachsenden Wissenschaftsskepsis in einigen sozialen Bereichen entgegenzuwirken. Um zu einer schlüssigen Antwort zu gelangen, wird auf die genaue Kommunikationssituation während der Pandemie eingegangen. Deutlich wird in diesem Zusammenhang, dass eine Vielzahl von AkteurInnen mit unterschiedlichen Interessen und Werthaltungen zusammenkommen, um u.a. Fragen der Pandemiebekämpfung zu diskutieren. Eine epistemologische Analyse muss dieser komplexeren Situation gerecht werden. Insbesondere wird die Untersuchung aufzeigen, dass ExpertInnen mit sehr unterschiedlich fokussierten Werthaltungen in der Debatte aufeinandertreffen. Dass Werturteile in den epistemischen Prozessen wissenschaftlicher Hypothesenbildung und Ergebnisgewinnung eine Rolle spielen, stellt einen typischen Ansatzpunkt zur Erklärung für einen wachsenden Vertrauensverlust in wissenschaftliche ExpertInnen dar. In diesem Beitrag soll dieser Aspekt im Kontext der Pandemiesituation genauer analysiert werden. Es wird sich zeigen, dass eine Hauptschwierigkeit u.a. darin besteht, dass eine Reihe durchaus legitimer Werthaltungen hier miteinander in Konflikt geraten, für deren Hierarchisierung es bisher keine hinreichenden Leitlinien zu geben scheint. Abschließend wird daher die Frage aufgeworfen, ob PhilosophInnen die Funktion übernehmen können, die notwendige Orientierung innerhalb solcher Wertedebatten herzustellen.